Gibt es echt Leute, die es in der DDR wirklich besser fanden?

16 Antworten

Klar, warum sollte es das nicht geben. Vorab: Ich bin wessi und war beruflich kurz nach der Wende öfters in der Ex-DDR.

Man hatte es sich eingerichtet in der DDR, klar, es gab nicht immer alles und man durfte nicht alles sagen und nicht überall hin reisen. Aber im großen und ganzen war man vielleicht gar nicht unzufrieden.

Es gab ein paar Dinge, die es im Westen nicht gab: Nämlich unvergleichliche Nachbarschafts- und Kollegenhilfe. Kaum Kriminalität (wenn man von "Polit-Kriminellen absah). Kinderbetreuung auf hohem Niveau, ziemlich stabile niedrige Preise, keine Wohnungsnot und keine Angst vor Arbeitslosigkeit. Dass das System dabei war zu scheitern, nahm man kaum wahr - wollte es vielleicht auch nicht.

Und noch etwas: die Partei mischte sich zwar fast überall ein, aber man brauchte auch nicht zu denken, wenn man nicht wollte. Es gab für alles "einfache" Lösungen, ganz anders als im heutigen Gesamtdeutschland.

Ja, die DDR war wirtschaftlich nicht zu retten, da bin ich sicher. Aber dass viele ehemalige DDR-Bürger ihr Land heute nostalgisch verklären, kann ich ziemlich gut verstehen. Eben einfach "die gute alte Zeit"


Erwin71770812  04.04.2024, 18:41

Wohnungsnot gab es schon. Viele Paare haben früh geheiratet, um eine Wohnung zu bekommen.

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Claud18  27.04.2024, 09:50
@Erwin71770812

Stimmt. Ich erinnere mich auch an eine lange Odyssee, ehe die Verantwortlichen einsahen, dass ich nicht ewig mit 2 jüngeren Schwestern in einem Zimmer wohnen konnte.

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Der Mensch gewöhnt sich ganz schnell an bessere Lebensbedingungen. Vielleicht sollte man neben einen Supermarkt eine Art Gedenkstätte bauen, und zwar so, wie ein typischer Laden zu DDR-Zeiten aussah. Davor sollten einige Puppen stehen, die die "Sozialistische Wartegemeinschaft" darstellen.

Aber: was man mit Menschen kurz nach der Wende gemacht hat, ist absolut schlecht. Man hat sie wirklich traumatisiert. Dabei hätte die Bundesrepublik durchaus in einigen Punkten von der DDR lernen können. Bis heute stehen Schulspeisung und ausreichend Kitaplätze noch in den Sternen.


Holzbiene2024  28.04.2024, 17:02
"Sozialistische Wartegemeinschaft"

Herrlich.

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Von Experte Kris, UserMod Light bestätigt

Im Kleinen schien manches besser bzw. einfacher.

Wie schon gesagt, Lebensmittel waren subventioniert ( Dermassen, das Brötchen an Schweine verfüttert wurden, weil sie billiger als Futter waren).

Jeder hatte irgendeinen Job und wurde gut bezahlt ( Leistung lohnte sich allerdings nur bedingt, meistens nicht). Wohnungen wurden zugeteilt.

Kurz, wenn du die Schnauze gehalten hast, hattest du ein ganz gutes Leben.

Auf der anderen Seite gab es Mangelwirtschaft, die im Verlauf immer schlimmer wurde.

Das Problem war, dass die DDR sich den hohen Lebensstandard gar nicht leisten konnte. Der Staat war daher Anfang der 80er praktisch pleite. Man lebte seit den 70er Jahren von der Substanz.

Es gab reichlich Flüsterwitze darüber

Alle kennen die 7 Weltwunder, aber die 7 Wunder der DDR sind weniger bekannt:
Wunder 1: In der DDR gab es keine Arbeitslosigkeit!
Wunder 2: Obwohl keiner arbeitslos war, hat nur die Hälfte gearbeitet.
Wunder 3: Obwohl nur die Hälfte gearbeitet hat, wurde das Plan-Soll immer erfüllt.
Wunder 4: Obwohl das Plan-Soll immer erfüllt wurde, gab es nichts zu kaufen.
Wunder 5: Obwohl es nichts zu kaufen gab, waren alle glücklich und zufrieden.
Wunder 6: Obwohl alle zufrieden waren, gab es regelmäßig Demonstrationen.
Wunder 7: Obwohl regelmäßig demonstriert wurde, wurde immer mit 99,9% die alte Regierung wiedergewählt.

Die Mangelwirtschaft war auch bedingt durch die nach oben gehenden Meldungen, die das enthielten, was man hören wollte, und nicht die Wahrheit.

Der Brigadier der LPG "Rote Rübe" in Heilenroda stellt fest, dass die volkseigenen Säue in seinem Stall durchschnittlich sechs Ferkel werfen. 'Nun...', sagt er sich '... das klingt ja nicht gerade viel! So was kann ich doch der SED-Kreisleitung nicht weitermelden!' Und darum entscheidet er sich zu einer kleinen Übertreibung und schreibt in seinen Bericht: "Die gesunde Sau in Heilenroda wirft sieben Ferkel."
Der Kreisparteileiter liest den Bericht aufmerksam und denkt bei sich: "Sieben Ferkel, nun ja, so komme ich ja nie auf meine Kennziffern, für die Bezirksleitung schreibe ich da mal besser acht."
Der Bezirksparteileiter fragt sich: "Acht Ferkel? Ist das viel? Keine Ahnung, aber Papier ist schließlich geduldig." Sein Bericht an die Staatliche Plankommission spricht daher von neun Ferkeln.
Nach dem Lesen dieses Berichtes spricht der zuständige Genosse in der staatlichen Plankommission zu: "Neun Ferkel! Die Genossen in Heilenroda sind gar nicht schlecht! Aber schließlich haben wir in der Schweinefleischbilanzkennzahl noch eine kleine Lücke."
Und deshalb liest der Bereichsleiter für landwirtschaftliche Produktion im ZK der SED von zehn Jungvieheinheiten. "Zehn Ferkel ist ja nun wohl ziemlich mies!" spricht das Zentralkomitee, "so können wir dem Politbüro nicht kommen!" Und so meldet schließlich das Politbüro, dass von elf Ferkeln wusste, stolz: "Genosse Honecker. Die gesunde Sau in der LPG Rote Rübe in Heilenroda wirft zwölf Ferkel!" "Das ist ja wunderbar!" ruft Honecker, "Dann können wir ja sechs in den Export geben!"

Holzbiene2024  28.04.2024, 17:07

Mir war nie klar, warum SOLL-Übererfüllung so prächtig wäre.

Für einen Trabant braucht man fünf Räder. Wohin also mit Rad sechs und sieben?

Der Kapitalismus plant besser als die Planwirtschaft. Aber Plan ist ja böse, das Chaos regelt sich angeblich von selbst.

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Ja gibt es, wir sind gut anpassungsfähig und können uns den Umständen anpassen.

Ich kann das am besten von mir selbst erklären. Ich hatte gar nichts und musste auf dem Boden schlafen, es blieb mir nichts anderes übrig als mich daran zu gewöhnen. Später bekam ich ein Bett, ein Kissen und eine Decke war natürlich was völlig anderes, also schlief ich die erste zeit wie gewohnt auf dem Boden ohne was. Ich kannte das nicht anders und war normal für mich. Natürlich ist Bett usw. Weicher, wärmer und sauberer aber es war fremd. Ich musste mich erstmal damit anfreunden. Wir sind auch Gewohnheitstiere und kommen schwer mit Veränderungen klar, man bleibt lieber beim vertrauten ob das jetzt gut oder schlecht war. So ungefähr ist das

Der Mensch neigt nun mal dazu, wenn er mit seiner aktuellen Lebenssituation unzufrieden ist, die Vergangenheit zu verklären.

Da sieht man dann auch großzügig über die Unzulänglichkeiten des Systems hinweg.