Aufklärung unerwünscht! Warum regen sich manche so sehr über Leute auf, die im Netz über die eigene Behinderung (z.B. Schwerhörigkeit) aufklären?

4 Antworten

Ich weiß, wovon du redest. Am schlimmsten sind Leute, die sowas sagen wie "Ich kenne jemanden, der hat auch Behinderung X" und ihre minimalen Erfahrungen mit Personen mit Behinderung X zum Anlass nehmen, zu denken, sie hätten genug Ahnung von Behinderung X, um dazu etwas zu sagen. Noch besser: Um zu verallgemeinern. (Und ja, ich rede hier von Autismus, weil ich mich damit am besten auskenne, allerdings kann man das auf so gut wie jede andere Behinderung übertragen.)

Sehr wahrscheinlich liegt das daran, dass viele Behinderte noch immer als "weniger" ansehen. Behinderten zuhören, nicht ohne sie über sie zu sprechen, geht gegen den Glauben, eine Behinderung wäre generell etwas Negatives, eine Behinderung würde einem im Weg stehen, clever, schön und glücklich zu sein. Ableismus - den man noch immer an vielen Ecken bemerkt - geht so schnell nicht weg.

Wer will schon gerne von einem Behinderten aufgeklärt werden? Wie soll der Behinderte mehr über seine Behinderung wissen, als der Nicht-Behinderte? Behinderte können oft nicht objektiv sein, ihre Umgebung nicht objektiv wahrnehmen, denken einige sich, wenn auch nur unterbewusst.

Sehr häufig, wenn sich Leute über Behinderung X oder C oder U informieren wollen, lesen sie sich Artikel von Ärzten durch. Ärzte, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht selber Behinderung X o.Ä. haben. Das ist schon problematisch bei körperlichen Behinderungen, aber wenn es um unterschiedliche Gehirnstrukturen geht, die sich anders entwickelt haben und daher anders funktionieren, anders wahrnehmen, wird es mehr als nur lächerlich.

Zu viele Leute informieren sich noch immer nicht bei (uns) Behinderten direkt, sondern über andere, nicht-behinderte Personen. Das mag vielleicht in Ordnung sein, wenn es eine wirklich sehr seltene Behinderung/Krankheit ist, aber meistens ist das nicht der Fall.

Was solchen Leuten fehlt, ist eine innere Stimme, die ihnen sagt: "Halt! Überleg' mal. Kennst du dich wirklich mit dem Thema aus oder schreibst du nur etwas, um was geschrieben zu haben? Woher kommen deine Informationen?"

Es ist in Ordnung, etwas nicht zu wissen. Es ist in Ordnung, nicht zu allem etwas zu sagen/schreiben. Man muss sich nicht für alles interessieren. Ich interessiere mich für sehr viele Dinge nicht. Ich lerne nichts über sie und sage nichts über sie. Und selbst wenn: Wenn ich sage, dass Fußball ein Sport für Gehirnamöben ist (Was ich nicht glaube - Jeder wie er will, aber gehen wir mal davon aus), wem hätte ich damit das Leben verschlechtert? Niemandem. Ich hab vielleicht ein oder zwei Hardcore-Fußballfans dazu gebracht, mich zu disliken oder sogar einen wütenden Kommentar zu schreiben, aber danach ist die Sache für alle gegessen. Den Luxus hat so gut wie kein Behinderter.

Manche sind auch sowieso mehr die Sparte "Anti-Woke". "Alles woke heutzutage!"

Da wundert einen gar nichts mehr. Nach dem Motto "Erst BLM, dann kommen die Flüchtlinge, dann wollen Frauen auch noch Gleichberechtigung, die LGBTQIAKWPS+-Leute wollen unsere Kinder alle zu Kampfhelikoptern umoperieren lassen und jetzt beschweren sich auch noch die Behinderten???? Ughhh 😩😩😩😡😡😡😡👎🏻"

Das sind auch genau die, die sich stets darüber beschweren, dass man ja "heutzutage gar nix mehr sagen dürfe!" und "Das wird man dich wohl noch sagen dürfen!"

Aber auch sehr schlimm ist es, wenn von einem erwartet wird, bei der Aufklärung immer nett und höflich zu sein, während diejenigen, die den gefährlichen, verletzenden Mist über Behinderung XY verbreiten, es nicht sind. Es wird von einem erwartet, nicht zu aufdringlich etc. zu sein ... Ich könnte das jetzt mit z.B. BLM-Protesten vergleichen oder mit LGBTQ+ und fragen, ob die am besten auch nur ganz nett und freundlich um Gleichberechtigung etc. bitten sollen oder ob das nur für uns Behinderte gilt, aber nun gut, anderes Thema.

Irgendwann kann man nicht mehr (immer) nett und freundlich sein. Sowas kann man auch nur erwarten, wenn man nicht selber im gleichen Boot sitzt. Am Anfang geht es noch, doch schnell bemerkt man, dass man immer und immer und immer und immer und immer ... wieder die selben paar Verdächtigen, die selben paar verdächtigen Fehlinformationen aus dem Weg räumen muss und einem geht die Geduld, die Motivation, die Kraft nach und nach verloren. Die Wand hört einem oft mehr zu!

Manche scheinen wirklich zu denken, das wäre wie, wenn jemand sagt "Film X ist total bescheuert", obwohl Film X mein absoluter Lieblingsfilm ist. Mein Lieblingsfilm ist nicht meine Existenz und selbst wenn, könne ich das ohne Probleme ändern. Eine Behinderung, eine Hautfarbe, sexuelle Orientierung, ein Geschlecht etc. nicht.

Und dann gehen manche sogar noch so weit, zu meinen, man solle es doch einfach ignorieren.

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Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Keine Ahnung und davon jede Menge 🤓

Och, es gibt immer Gründe, sich über irgendetwas aufzuregen. Man kann es nie allen recht machen. Das ist halt einfach so.

Warum regen sich manche so sehr über Leute auf, die im Netz über die eigene Behinderung (z.B. Schwerhörigkeit) aufklären?

Na ja, irgendwelche Leute, die sich an irgendwas stören, gibt es immer. Wenn es auffällig viele sind, dann sollte man sich aber vielleicht fragen, ob die "Aufklärung" wirklich so niveauvoll, faktisch korrekt, objektiv und nicht-missionierend ist, wie es das Thema Schwerbehinderung erfordert.

Ich kann nur raten, aber oftmals richtet sich Ablehnung eher gegen die Art, wie aufgeklärt, missioniert, gefordert wird oder gegen möglicherweise falsche Tatsachenbehauptungen und nicht pauschal gegen Aufklärung aller Art.

Ungefragtes Aufklären, das einem aufgenötigt wird, wäre zudem auch eine Art der aggressiven Kommunikation, die vielen aufstößt.

Komischerweise wissen die Menschen, die eine Schwerbehinderung haben, sehr gut darüber Bescheid. Da braucht es keinen neunmalklugen, der explizit darauf hinweist.


Waldi2007  13.05.2024, 12:38

Mit den "Neunmalklugen" sind die Betroffenen selbst gemeint.

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