Wie oft habt ihr richtig extreme Fälle zmb. Selbstmörder, Herzinfarkte oder einen schweren Unfall ?
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Denn: was Für dich ein Extremfall sein mag, ist es für einen erfahrenen Retter vielleicht nicht mehr. Wir haben regelmäßig mit Situationen zu tun, die für jemanden außerhalb des Rettungsdienstes "extrem" sein könnten. Ein Selbstmörder ist für den Rettungsdienst nicht extrem - es sei denn, es ist eine besonders spektakuläre Art, sich zu Tode zu bringen oder besonders dramatische Umstände (erweiterter Suizid o.ä.) - aber für dich mag das ander sein. Für einen jungen Retter vielleicht auch noch. Mich erschüttern oft eher ganz andere Sachen. Menschliches soziales Leid in völlig vermüllten Wohnungen, absolut hilflose Menschen, die von allen anderen abgehängt werden. Sowas. Oder die absolute unendliche Hilflosigkeit einer 80jährigen, die nach 60 Ehejahren ihren Mann verliert. Sowas. Klar, es gibt immer noch mal Einsätze, die einen Mitnehmen: der oben erwähnte "besondere " Selbstmörder genauso wie ein "besonderer" Schwerstverletzter.
Was ich sagen will: wenn man in dem Job ist, sieht man die Dinge oft anders als "normale" Menschen. Anderes wird als "extrem" empfunden, als bei vielen anderen.
Aber egal was man nun als "extrem" definiert, es kommt seltener vor als man denkt. Ich denke mal, mehr als 2 Fälle pro Jahr werden es nicht sein. Klar bleibt das eine oder andere im Kopf, weil es lustig oder bemerkenswert war, aber "extrem"... also, ich sage mal gefühlt ein bis zwei Mal im Jahr. Mehr ist es nicht .
Und wie seit ihr damit umgegangen ? nachdem Motto "das leben geht weiter" oder nagt das an der psyche ?
Das verarbeitet jeder auf andere Weise. Die meisten reden über belastende Ereignisse, sei es mit Familie oder den Kollegen. Andere machen Sport oder Yoga, haben aufregende oder ruhige Hobbies, sei es lesen oder Techno-Festivals. Relativ wenige Retter nehmen professionelle Hilfe in Anspruch, aber wenn es nötig ist, dann sollte man sich deshalb nicht schämen oder versuchen, den "starken Mann" zu spielen. Jeder Mensch hat eine Schwachstelle, in die ein besonders schlimmer Notfall einschlagen kann. Professionelle Helfer wissen, dass man dann wirklich seinerseits professionelle Hilfe braucht...
...oder gibt es auch mal weniger schlimme fälle zmb. eine einfache Erkältung oder Grippe ?
Viel zu oft. Leider hat man in der letzten Zeit den Eindruck, dass die Menschen viel weniger als früher sich um sich selbst kümmern können. Schon bei kleinen Unregelmäßigkeiten im Leben wird die Verantwortung sofort an irgendjemand anderen abgegeben. Tropft der Wasserhahn, tauscht man nicht selber die Dichtung aus, sondern ruft direkt den Klempner. Und so ist es eben auch in der Medizin. Der Rettungsdienst fährt heutzutage wirklich zu Lappalien, wie z.B Fieber von 39 Grad im Rahmen eines Infekts, weil der Patient nicht für sich selbst verantwortlich sein will. Ich nenne es "Vollkasko-Mentalität". Und die Leute gehen nicht mal zum Hausarzt weil sie ernsthaft der Meinung sind, dass sie es verdient haben, nicht warten zu müssen, sondern dass innerhalb von 15 Minuten gefälligst Hilfe bei ihnen zu Hause auf dem Pla zu stehen hat. Natürlich denkt nicht jeder so, aber es sind erschreckenderweise immer mehr... Manchmal gibt es auch Fälle, die einfach weit weniger dramatisch sind, als auf den ersten Blick angenommen und das ist dann wiederum völlig ok.