War im Mittelalter das Leben spannender als in der langweiligen Jetzt Zeit?

20 Antworten

Das Leben war natürlich viel mühsamer und unsicherer, aber für die Zeitgenossen war das meiste wahrscheinlich auch damals nur langweiliger Alltag. Und geht es um das frühe oder späte Mittelalter? Da liegen knapp 1000 Jahre dazwischen ... Lesetipp:

Ernst Schubert: Alltag im Mittelalter. Natürliches Lebensumfeld und menschliches Miteinander

Ansonsten war klar, dass hier mal wieder der Blödsinn mit den angeblich mittelalterlichen Hexenverfolgungen verbreitet wird. Zur Erinnerung: Hexenverfolgungen gehören fast ausschließlich in die Neuzeit und gingen meist von der Normalbevölkerung aus. Lässt sich in der Fachliteratur nachlesen, wenn man seine "Kenntnisse" nicht nur aus Fantasy-Romanen zieht oder mutwillig Märchen verbreiten will. Für's erste tut es auch Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/Finsteres_Mittelalter

Witzig ist auch, dass manche sogenannte "Experten" hier den Dreißigjährigen Krieg ins Mittelalter stecken.

Woher ich das weiß:Hobby – Geschichte, langjähriges Interesse incl. Fachliteratur

Das kommt drauf an es gab früher oft viele sachen zu tun nur ist es wie heute das man die sachen immer und immer wieder machen musste und sich der Tag wiederholte für jahrzehnte

Es kommt darauf an, wo man als was und wann lebte. Aber ich bin mir sicher, jeder von ihnen hätte seine Arbeit mit einem heutigen langweiligen Bürojob getauscht, in einer nur 40-Stunden-Woche und guten Arbeitsschutz.

Die normalen Menschen wurden damals nur so 35-40 Jahre alt und die Kindersterblichkeit war sehr hoch. Familien mit bis zu 20 Geburten waren normal, die meisten überlebten ohnehin nicht. In einem Haus lebten bis zu 3 Generationen eng zusammen.

Heizungen gab's nicht, und die Arbeitszeit dauert oft von morgens um 5 bis zum späten Abend. Arbeitsschutzgesetze gab's auch nicht, der Arbeiter oder Angestellte war dem Gutdünken seines Herren (Arbeitgeber) ohne Rechte ausgeliefert.

Religion war vorgeschrieben und wer was anderes glaubte, landete nicht selten in der Folterkammer, wo dieser "geheilt" dann werden sollte.

Eine der wenigen Attraktionen waren die öffentlichen Hinrichtungen, sei es durch Seil, Kopf abtrennen, Scheiterhaufen oder einer der vielen Foltertode, wie zB das Rädern.

Demonstrationen wurden damals gewaltsam beendet, die Teilnehmer landeten nicht selten im Kerker, mit viel Glück bei Wasser und Brot.

Brach irgendwo Mal die Pest aus, fand man schnell die Schuldigen, die Juden, die dann als Familien mit Kinder auf auf dem Scheiterhaufen landeten. Beweis: Weil Juden sich an die biblischen ReinlichkeitsGebote hielten, waren sie im Verhältnis zu den NichtJuden am seltensten krank. Das war dann für die Kirche der Beweis, sie stünden mit dem Teufel im Bunde, der sie vor Krankheit schützte.

Die meisten Bürger konnten weder lesen noch schreiben, wuschen sich seltener und hielten es sich nicht so mit der Hygiene. Das machte sich dann auch durch den Geruch schnell bemerkbar.

Damals war die Erde eine Scheibe. Doch wehe dem der etwas anderes behauptete. Das Denken und eigene Meinung war oft vorgeschrieben, Andersdenkende landeten meist vor einem Gericht der Kirche, wo dann nur das Urteil über die Strafe fiel. Rechtsbeistand gab's damals nicht für "Normalsterbliche".

Ob das Leben damals spannender war im Vergleich zu heute, bezweifele ich sehr. Es war gefährlicher und schneller tötlich.

Am wenigsten zu Lachen hatten Frauen. Die Eltern vereinbarten schon früh, wen sie heiraten soll und die Tochter durfte nicht wiedersprechen. Liebe war da selten im Spiel, es war eher die reine Gewöhnung an den neuen Herrn des Hauses, dem die Tochter dann bis zu 24 Std täglich gehorchen mußte.

Gewalt in der Ehe war nicht selten. Mehr noch, der Mann hatte die Pflicht seine Frau zu schlagen, wenn sie zB bei Selbstbefriedigung erwischt wurde. Die bequemste Art für einen Mann sich zu scheiden war, die Frau der Hexerei zu beschuldigen.

Gibt noch Vieles mehr zu berichten.

Ich setzte mich (u.a.) mit Mittelalters seit fast 30 Jahren auseinander, aber nur im Bezug auf jüdisches Leben, was hier auch meine Webseite zeigt.

Woher ich das weiß:Recherche

Sangallo  14.05.2024, 20:57
Familien mit bis zu 20 Geburten waren normal, ... In einem Haus lebten bis zu 3 Generationen

Nein. Schon wegen der hohen Sterblichkeit bei Kindern und Erwachsenen nicht. Eberhard Isenmann schreibt, dass in einem üblichen städtischen Haushalt nur 2, selten 3 bis 4 Kinder lebten. Auf dem Land sah es nicht wesentlich anders aus.

Heizungen gab's nicht,

Seit dem Frühmittelalter waren Kachelöfen üblich, auch im bürgerlichen Bereich. Ist archäologisch nachgewiesen.

Eine der wenigen Attraktionen waren die öffentlichen Hinrichtungen,

Sadistische Klischees, die mehr über den Schreiber verraten als über das Mittelalter. Es gab genug normale Unterhaltung wie Musik, Tanz, Theater.

Das war dann für die Kirche der Beweis, sie stünden mit dem Teufel im Bunde, der sie vor Krankheit schützte.

Du willst es wahrscheinlich nicht hören, aber die gewaltsame Judenfeindlichkeit war vor allem eine Volkshysterie. Siehe Speyer 1096. Oder zur Zeit der großen Pest:

"Die Hauptakteure waren Bürger und Zünfte, der Klerus dagegen hielt sich zurück. Die regionalen Fürsten, die eigentlich den Judenschutz sichern sollten, reagierten zurückhaltend."

https://de.wikipedia.org/wiki/Judenverfolgungen_zur_Zeit_des_Schwarzen_Todes

und hielten es sich nicht so mit der Hygiene.

Hygiene ist ein Grundbedürfnis und taucht auch in den mittelalterlichen Schriften so auf. Badehäuser gab es überall und sie waren relativ billig.

Damals war die Erde eine Scheibe. Doch wehe dem der etwas anderes behauptete.

Das ist eine Lügengeschichte des 19. Jahrhunderts. https://de.wikipedia.org/wiki/Flache_Erde#Mittelalter

Die Eltern vereinbarten schon früh, wen sie heiraten soll und die Tochter durfte nicht wiedersprechen.

Du verallgemeinerst unzulässerweise wenige Fälle aus dem Hochadel. Das Heiratsalter der Normalbevölkerung war aus außeren Gründen (Vorschriften der Zünfte und Grundherren) sogar für heutige Verhältnisse oft eher hoch.

Liebe war da selten im Spiel,

Also ob du die persönlichen Gefühle der Leute damals so einfach beurteilen könntest ... hellseherische Fähigkeiten?

Gewalt in der Ehe war nicht selten.

Wurde aber im Lauf des Mittelalters zunehmend geächtet, wie verschiedene Quellen der Zeit belegen.

Mehr noch, der Mann hatte die Pflicht seine Frau zu schlagen, wenn sie zB bei Selbstbefriedigung erwischt wurde.

Faule Gerüchte. Was ist die zeitgenössiche Rechtsquelle dafür?

Die bequemste Art für einen Mann sich zu scheiden war, die Frau der Hexerei zu beschuldigen.

Nochmal faule Gerüchte. Die große Zeit der Hexenverfolgung ist die Neuzeit.

Ich setzte mich (u.a.) mit Mittelalters seit fast 30 Jahren auseinander,

Offenbar weitgehend vergeblich. Mindestens die Hälfte von deinen Behauptungen ist unwahre Kolportage.

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Charedi  14.05.2024, 22:13
@Sangallo

Ich beschrieb das Leben eines normalen Arbeiters bzw Tagelöhners.

Und ich ging das Mittel-Alter im Ganzen durch, also vom neunten bis 15 Jahrhundert.

Wenn du meinst es sei anders gewesen, OK, nur Beleidigungen ändern nicht die Ergebnisse meiner Recherchen.

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Sangallo  14.05.2024, 22:24
@Charedi
Ich beschrieb das Leben eines normalen Arbeiters bzw Tagelöhners.

Aber beschriebst es nachweislich falsch und das lasse ich nicht so stehen.

Beleidigungen ändern nicht die Ergebnisse meiner Recherchen.

Wahrscheinlich nicht. Spielt hier keine Rolle, da ich keine Beleidigungen geschrieben habe. Aber Tatsachen und der aktuelle Stand der Forschung sollten die Ergebnisse deiner Recherchen sehr wohl ändern. Ein paar Quellen habe ich genannt.

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"Spannender" war es auf jeden Fall.

Das Mittelalter war allerdings auch wesentlich härter, kälter und unmenschlicher. Etwas besser wenn man zum Adel gehörte oder einen Handwerksbetrieb hatte.

Kleinste Strafvergehen zogen zum Teil brutalste Strafen nach sich. Für schwerere Delikte konnte man ersäuft, gehängt, gefoltert, auf Rad geflochten... werden.

Die Angst vor Hexen und vor der Hölle beherrschte das Denken der Menschen.

https://www.youtube.com/watch?v=OauATwCOkxI

https://www.youtube.com/watch?v=CC95q7Hh6bw

https://www.youtube.com/watch?v=Ofnfu07Z2o8&list=PLB2_xtHAwjUyoQuWkXURXAIZLm9jDcNKS


Miniaturwelt  17.05.2024, 09:42

Du verlinkst zufällig alle "Dokus", die historisch kompletter Nonsens sind.

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markN  22.05.2024, 08:28
@Miniaturwelt

Und woher weißt DU oder willst DU es wissen, dass diese Dokumentationen historischer Bullshit sind? Bist du kein Experte wie bspw. ein Historiker oder hast während deiner Recherche nicht mit zahlreichen Experten reden dürfen, dann halte dich zurück oder liefer Gegenweise mit Timestamps und den Quellen, die die Sachen wiederlegen.

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Sangallo  22.05.2024, 09:21
@markN

Z. B. ist im dritten Video direkt am Anfang ein grober Fehler. "Deutschland vor 600 Jahren" ist Anfang des 15. Jahrhunderts. Damals war es schon lange keine "Naturlandschaft" mehr und auch nicht "größtenteils mit Wald bedeckt", wie der Kommentator behauptet. Das Land war damals fast flächendeckend erschlossen und wirtschaftlich genutzt. Der Wald war stark zurückgegangen auf eine geringere Fläche als heute und vielerorts herrschte Holzmangel. Das sagen die zeitgenössischen Schriftquellen und es ist auch archäologisch nachgewiesen.

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markN  22.05.2024, 10:01
@Sangallo

Zugegebenermaßen habe ich die SWR-Doku nicht mehr richtig im Kopf gehabt, weil die schon alt ist, aber den Schnitzer nehme ich schon mal dankend auf.

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Miniaturwelt  22.05.2024, 10:07
@markN

Es gibt auf alle drei Dokus ein Reaktionsvideo von einem historischen Darsteller(der das entsprechend studiert hat)der auch als Kulturvermittler (auch für den SWR) arbeitet und in Historikerkreisen sehr geschätzt wird (so wird er auch in Fachliteratur positiv erwähnt, z.B. bei der Stadtrekonstruktion von Trier).

https://youtu.be/4C4GFYntTV8?si=-_nGI8F1yQfwHNn6

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Miniaturwelt  22.05.2024, 10:11
@Sangallo

Korrekt. Der Waldbestand in Europa lag damals deutlich unter dem heutigen.

Und wenn man tatsächlich neu siedeln wollte - dann hat man das mit deutlich mehr Planung gemacht. Man hat schonmal einen Großteil der Ressourcen (Holz, Stein etc.) mitgebracht. Und vorallem musste man genug Menschen überzeugen wegzuziehen. Leibeigenschaft heißt eben nicht Sklaverei. Häufig wurden Freiheiten versprochen, teilweise sogar die Auflösung der Leibeigenschaft oder finanzielle Anreize.

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Ja, das Leben war sicher "spannender"

-- der Zahnbrecher entfernte faule Zähne mit einer groben Zange - natürlich ohne Betäubung...

-- es war sehr "spannend" herauszufinden, ob man an einer einfachen Verletzung wegen Wundbrand stibt oder es doch überlebt

-- es war "spannend", wenn man nicht wußte, welche Schinderei dem Lehnsherren grade wieder einfällt

-- ob man die Geburt eines Kindes überlebt - oder das Neugeborene überlebte... war ebenfalls recht unsicher (spannend?)

u.s.w.

Wer seinen (Büro)Job langweilig findet, kann und sollte evtl. überlegen, einen "spannenderen" Job zu machen.