Physik: Wo fängt man hier am besten an?

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Hallo Bestimmtnichtso,

ich weiß nicht, wie gut Du Englisch kannst. Für mich war John Legat Martins Buch General Relativity war für mich sehr erhellend. Dabei ist es nicht einmal ein dickes Buch. Hier wird zunächst das Äquivalenzprinzip vorgestellt und anschließend die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) vorgestellt, ehe der Autor zum eigentlichen Thema des Buches, der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) übergeht.

Ich kenne schon alle Basics,...

Es gibt freilich in "handelsüblichen" Erklärungen der RT eine Menge veraltetes und irreführendes Wording. So klingen "Zeitdilatation" und "Längenkontraktion" nach einem brontalen Gezerre und Gequetsche, gemeint ist aber eine völlig gewaltfreie Uminterpretation.

Stell Dir als Analogie eine Zeichnung auf einem blanken Papierblatt vor, auf dem eine karierte Folie mit aufgezeichnetem Koordinatensystem vor. Es verleiht jedem Punkt auf der Zeichnung Koordinaten.

Die ändern sich natürlich, wenn Du die Folie drehst. An der Zeichnung selbst verändert sich dabei aber nichts.

Die Zeichnung steht für ein Szenario, das Blatt Papier für die Raumzeit. Sie lässt sich anhand eines als stationär gedachten Körpers B (vorzugsweise eines im freien Weltraum schwebenden Raumfahrzeugs) in Zeit und Raum zerlegen. Die Weltlinie (WL) von B ist dabei die Zeitachse eines von B aus definierten Koordinatensystems Σ.

Die WLn zweier relativ zu B ruhenden Körper A bei x = −d und C bei x = d verlaufen parallel zu ihr. Die WL eines vierten Raumfahrzeugs B', das mit konstanter 1D-Geschwindigkeit v in x-Richtung an A, B und C vorbeizieht, ist gegen die anderen WLn geneigt. Sie ist natürlich die Zeitachse eines von B' aus definierten Koordinatensystems Σ'. Da weder B noch B' beschleunigt werden, heißen Σ und Σ' Inertialsysteme.

Praktische Zahlenbeispiele sind d = 2 lmin und v = 0,6∙c, wobei c ≈ 3×10⁸ m⁄s das Lichttempo ist. "Zeitdilatation" ist eigentlich nichts anderes als die Projektion eines Vorgangs z.B. in B' auf die WL von B.

Wo fängt man für genauere "Erklärungen" der Relativitätstheorie an?

Am besten beginnt man mit...

GALILEIs Relativitätsprinzip (RP)

Das RP besagt, dass alle Inertialsysteme physikalisch gleichwertig sind; ob wir Σ oder Σ' als Bezugssystem (d.h. als das Koordinatensystem, in dem wir rechnen) auswählen, spielt für die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) keine Rolle. Deshalb konnten wir auch so lange glauben, die Erde stehe still (wobei ein erdgebundenes Koordinatensystem natürlich kein Inertialsystem ist).

Eine Folge des RP ist die Relativität der Gleichortigkeit zeitlich aufeinanderfolgender Ereignisse E₁ und E₂: In Σ finden die Begegnung von B' und A und die Begegnung von B' und B an zwei verschiedenen Orten (x₁ = −d, x₂ = 0) statt. In Σ' kommt erst A und später B an B' bei x'₁ = x'₂ = 0 vorbei.

Die Umrechnung zwischen Σ und Σ' in der NEWTONschen Mechanik (NM) heißt GALILEI- Transformation und ist geometrisch betrachtet eine raumzeitliche Scherung.

Der Unterschied zwischen NM und SRT ist die Geometrie der Raumzeit. Und die Grundlage dafür folgt jetzt:

GALILEI meets MAXWELL

Zu den Naturgesetzen gehören auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch die elektromagnetische Wellengleichung, die direkt daraus folgt und der zufolge sich elektromagnetische Wellen mit c ausbreiten.

Diese Wellengleichung muss in Σ und Σ' gleichermaßen gelten, d.h., etwas, das sich relativ zu B mit c bewegt, das bewegt sich auch relativ zu B' mit c und umgekehrt.

Dies ist EINSTEINs zweites "Postulat", es folgt aber eigentlich direkt aus dem RP.

Der optische DOPPLER-Effekt und die "Zeitdilatation"

Man kann von B aus die Geschwindigkeit von B' relativ zu B messen, indem man ein Signal schickt, dessen Echo auffängt und seine Frequenz f₂ mit der ursprünglichen Frequenz f₀ vergleicht. Wenn wir B als ruhend betrachten, bedeutet das, dass B' dem Signal mit der Differenzgeschwindigkeit c + v = c(1 + β) (in unserem Beispiel 1,6∙c) entgegenkommt und deshalb kommt das Signal mit der errechneten Frequenz

(1.1) f₁ = (c + v)⁄λ₀ = f₀(1 + β) (hier 1,6∙f₀)

wobei λ₀ = c⁄f₀ die Wellenlänge des Signals ist. Auf dem Rückweg entfernt sich das Signal von B' mit −c(1 − β), wodurch das Echo auf dem Rückweg die Wellenlänge

(1.2) λ₂ = (c − v)⁄f₁ = λ₀(1 − β)/(1 + β)

annimmt und es mit

(1.3) f₂ = f₁/(1 − β) = f₀(1 + β)/(1 − β) =: f₀∙K² (hier 4∙f₀ = 2,5∙f₁)

bei B ankommt.

Das RP fordert allerdings, dass der optische DOPPLER-Effekt symmetrisch ist; deshalb muss ein Beobachter nicht f₁, sondern

(2) f'₁ = f₀∙K = f₂⁄K = f₁/√{1 − β²} =: f₁∙γ (hier: 2∙f₀ = ½∙f₂ = 1,25∙f₁).

messen, was bedeutet, dass seine Uhr um den Faktor γ (hier 1,25) langsamer geht und er deshalb eine höhere Frequenz misst.

Relativität der Gleichzeitigkeit

Die Relativität der Gleichortigkeit zeitlich aufeinander folgender Ereignisse gilt schon in der NM; neu an der SRT ist, dass auch die Gleichzeitigkeit räumlich getrennter Ereignisse relativ ist:

Nehmen wir die Absendung zweier Signale von A und C, die B und B' im Moment t₀ bzw. t'₀ ihrer Begegnung erreichen. Der Einfachheit halber nennen wir beide 12:00:00h.

In Σ werden A und C als die ganze Zeit über gleich weit von B entfernt beschrieben, nämlich d = 2 lmin. Da die Borduhren von A, B und und C synchronisiert sind, haben beide Signale den Zeitstempel t₀ − d⁄c = 11:58h.

Einem Beobachter auf B' würde übrigens A optisch noch um den Faktor K⁻¹ näher (also ½d = 1 lmin) und C um den Faktor K weiter entfernt (also 2d = 4 lmin) erscheinen. Dies ist auf Aberration zurückzuführen: Bewege ich mich gegen Lichtquellen, scheint das Licht stärker von vorn zu kommen.

In Σ' wird B' als ruhend beschrieben, und so ist nach dieser Interpretation A beim Absenden seines Signals tatsächlich nur ½d entfernt gewesen, C beim Absenden seines Signals jedoch 2d. Die optisch unterschiedliche Entfernung ist in Σ' also keine Aberration, sondern ein Retardierungseffekt; wir alle blicken ja in die Vergangenheit. Daher muss das Licht von C aus auch eher gestartet sein, nämlich um t'₀ − K∙d = 11:56h, als von A, wo es erst um t'₀ − K⁻¹∙d = 11:59h abgeschickt wurde.

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Unser Szenario mit allen relativistischen Effekten

-- Baustelle, ich bearbeite diese Antwort --

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Mathematik, Physik, Lernen)

SlowPhil  26.06.2023, 10:52

Vielen Dank für den Stern!

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Buchempfehlungen:

  • Nigel Calder: Einsteins Universum
  • Thomas Buehrke: E=mc^2
  • Banesh Hoffmann: Einsteins Ideen
  • Jürgen Freund: Spezielle Relativitätstheorie für Studienanfänger

Am besten beginnst Du hier:--->.<--- da es relativ egal ist, wo Du beginnst.

Spaß bei Seite. Suche dir populärwissenschaftliche Bücher, die das Thema behandeln. Du wirst sicher auch in den Themenbereichen Astronomie, Astrophysik und Physik fündig.

Um das Themengebiet zu verstehen brauchst Du Mathematik, die deutlich über deine aktuellen Schulkenntnisse hinaus gehen. Sie ist dann der Schlüssel zum Verständnis der Physik, die Raum und Zeit krümmt, sowie Massen bei zunehmender Beschleunigung "schwerer" werden läßt.

Man staunt, daß die Relativitätstheorie nicht nur im (fernen) Weltall bemerkbar ist, sondern auch im Inneren von Atomen. Auch die Elektronen in schwereren Atomen bewegen sich mit relativistischen Geschwindigkeiten, werden dadurch schwerer und laufen auf anderen Bahnen, als ohne relativistische Effekte nötig wäre. Man muß die Atomuhren in den GPS-Satelliten regelmäßig nachjustieren, weil sie etwas langsamer gehen, als die Bodenuhren. Auch die Signallaufzeiten verändern sich merklich, wenn man den Satelliten "kommen" sieht oder wenn er sich entfernt; das ist aber dem Dopplereffekt zuzuschreiben. Letzterer "verbiegt" sich auch mit zunehmender Geschwindigkeitsdifferenz.