Orthodoxe Mystik?
Shalom Aleichem.
Was ich nicht verstehe ist, wieso gerade in dem orthodoxen Judentum die Mystik eine so grundlegend tiefe Verwurzelung hat. Nehmen wir die Reinkarnation. Im Tanach gibt es keine Stelle, die die Reinkarnation begründen könnte, plötzlich im Talmud jedoch auffällt. Und die Kabbala kommt kaum ohne sie aus. Ist das nicht dann eine Abkehr vom Tanach? Wozu überhaupt die Kabbala? Sie erinnert mich etwas an das, was Religionen gern Götzendienst oder Irrlehre nennen. Interessanter Weise ist diese aber, so mein Wissen, bei orthodoxen Juden eine zentrale Instanz. Wieso? Und vor allem: Wozu?
Zu mir als Hintergrundinformation: Ich bin selbst überzeugter Agnostiker. Zwar bin ich christlich getauft, mir ist aber ab einem gewissen Punkt die Diskussion zu abstrus ob und was nun richtig sein soll, vor allem weil es keiner wissen kann aber alle so tun.
Ach und eines würde ich noch gern einfach wissen: Kannst du über den Film Rabbi Jacob mit Louis De Funès lachen? 🙂
2 Antworten
Fast alle orth. Juden (und alle libralen, konservativen etc) lehnen die Kabalah ab. Sie ist auch eher im chassidischen Judentum beheimatet. Und man sollte erst darin studieren, wenn man sich wunderbar mit Torah und Talmud wunderbar aus kennt bzw intus hat. Ohne dieses Vorwissen kann das mit Kabalah ganz schnell schief gehen und Sachen darin lesen, die da nicht drin stehen, da sie sich zB auf bestimmte Texte zB im Talmud beziehen.
Im Uebrigen, im Talmud wird sehr wohl auch die Reinkarnation angesprochen. Und das sogar mehrfach.
Judentum lebt fundamental von immer neuen Auslegungen derselben Texte, im Rahmen einer Tradition.
Und Judentum lebt von Pluralismus & Toleranz, "ele va ele divrei elokim chaim" (diese wie jene sind Worte des lebendigen Gttes) "Minhag Israel Torah hu" (eine lokale jüdische Tradition muss respektiert werden wie die Torah selber), d.h. es kann durchaus widersprüchliche Auslegungen geben, man muss nicht unbedingt entscheiden, welche richtig ist, sie können beide richtig sein, und sogar wenn eine als richtig anerkannt wird und die andere als falsch, wird die "falsche" Interpretation doch weiter tradiert, weil sie ein wichtiger Schritt war, um zur richtigen Auslegung zu gelangen.
Ich denke, Kabbala ist einfach eine von vielen möglichen Interpretationen der Torah.
Man sagt, es gibt 4 Niveaus der Auslegung der Torah:
Pshat - quasi wörtlich, was im Text steht
Remez - Hinweis (Anspielung)
Drash - Erzählungen, die das, was in der Torah steht ergänzen (Auslegung, Metaphorik)
Sod - Mystik, das wäre die Kabbala
"Kabbalah" basiert einfach auf Schriften, die letztlich auch nichts anderes sind als Auslegungen der Torah in ihrer Zeit.
(Wenn du jemanden triffst, der dir was von Kabbalah erzählt, der aber diese Schriften inhaltlich nicht umfassend kennt, dann weisst du, dass es ein Stümper/Kurpfuscher/Sektenguru ist.)
Ich danke dir! Jetzt hab ich das Gedankenkonstrukt dahinter kapiert.
Ich sagte ja, im Talmud kommt sie plötzlich vor. Aber die Reinkarnation hat keine Grundlage im Tanach/Torah.
Würdest du noch so lieb sein meine letzte Frage ganz unten im Text zu beantworten? 🙂